Grüne Hauptstadt Europas 2017: Weiter geht´s!

Ödnis

Ödnis – deine Chiffre ist A 11! Schnurgerade verläuft die belgische Autobahn von Antwerpen nach Madegem. Irgendwo wird sie zur N 49, aber das ändert nichts. Das wäre für die Radreise nach Bristol gar nicht erwähnenswert, wenn nicht direkt daneben der Radweg längs führte. Und da ich den kürzesten Weg gewählt habe, geht es eben 60 kontemplative Kilometer geradeaus. Die brüllende Straße immer mal rechts oder links von mir.

Etappe 2: Retie – Brügge

Dafür fliegt die Landschaft nur so an mir vorbei. Rückenwind. Der lässt sich besonders genießen, wenn es entlang der Kanäle geht. Flandern wie im Bilderbuch. Die Ansichten wie gemalt von Pieter Breugel. Ob der Ältere oder der Jüngere, weiß ich gerade nicht. 

Rolltreppe
Und Antwerpen erst. Mein Navi lotst mich erst durch das jüdische und dann durch das arabische Viertel. Alles friedlich, aber verwackelt. Das Kopfsteinpflaster haut mir fast den Lenker aus der Hand. Dann der Höhepunkt: Mitten in der Stadt ein alter Fußgängertunnel aus der 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auf hölzernen Rolltreppen geht es nach unten und dann darf der Radreisende wieselflink unter der Maas durchhuschen.

Tunnel
Um auf solchen Fahrten zügig unterwegs zu sein, empfiehlt es sich, die Reise mit digitalen Karten zu planen und die Route (bzw. die Tracks) auf ein Navigationsgerät zu laden. So muss man nicht bei jeder Kreuzung erst mal auf die Karte schauen, sondern man folgt einfach der Linie auf dem Bildschirm. Wenn man die Orientierung verliert, spielt das gar keine Rolle. Einfach dem Strich nach.

Steckbrief 2. Etappe: Retie – Brügge

Gefahrene Kilometer: 150
Zeit im Sattel: 6 Stunden
Höhenmeter: 34 (flatschflach)
Lieblingsecke: Entlang der Kanäle zwischen Madegem und Damme
Hotelempfehlung Brügge: Lodewijk van Male, klassizistischer Bau mit angrenzender Parkanlage. Etwas außerhalb.

AussichtEtappe 3 und 4: Brügge – Dünkirchen – Dover – Ashford – Kingston upon Thames

Am Samstag konnte ich nichts schreiben. In Ashford bin ich nur noch in den Pub getaumelt  stocknüchtern wohlgemerkt  um mit handwarmen Bier ohne Kohlensäure meine schmerzenden Beine zu betäuben. Über sieben Stunden habe ich im Sattel gesessen und mich geschlagene 100 Kilometer gegen starken Gegenwind von Brügge nach Dünkirchen gekämpft.

Fähre
Zwei Stunden verschnaufen auf der Fähre  zwischen Dünkirchen und Dover. Und dann noch eine etwas unerwartete Bergetappe von 40 Kilometern bis nach Ashford. Zugeben die Aussichten über Dover und Folkstone sind atemberaubend. Die Steigungen aber auch. Tipp: Unbedingt in dieser Gegend Fahrradwege (cyclepaths) meiden, es sei denn man fährt Mountainbike und ist extrem kaltblütig. 

Reihenhaus_ÖdnisÜberhaupt: Fahrrad fahren in England. Das ist etwas für die ganz Harten. Ausgewiesene Radwege sind die absolute Ausnahme. Und dort, wo Stadtplaner etwas dergleichen ausweisen, sind sie oft Teil einer maroden Banquette, enden nach wenigen Metern im Nichts, oder erweisen sich als euphemistische Straßenbemalung, die in Großlondon gerne als Parkplatz genutzt wird. Wer wirklich radeln will muss auf die Straße und erlebt Abenteuer, teils mit lebensgefährlichen Höhepunkten. Der Weg in diese Risikozone wird allerdings zunächst verstellt von den fiesen Steigungen des lieblichen Counties Kent. An denen habe ich mich den ganzen Sonntag abgearbeitet. Dass London immer näher kam, merkte ich am aufsteigenden Nebel, gepaart mit Nieselregen, am anschwellenden Verkehr und an den Doppeldeckerbussen.

 Bemerkenswert …

  1. Im Häusermeer im Süden von Großlondon war ich komplett ohne Orientierung. Mein Navi hat mich zuverlässig durch ein Labyrinth von Anwohnerstraßen geführt. Ohne den kleinen Helfer und die Fahrradkarten von Open Street Map wäre ich verloren gewesen.
  2. Gepolsterte Radhosen und Gesäßcreme funktionieren gut. Allerdings nur in den ersten drei Stunden.

Canterbury
Steckbrief 3. und 4. Etappe: Brügge – Dünkirchen – Dover – Ashford – Kingston upon Thames

Gefahrene Kilometer: Samstag 143, Sonntag 105
Höhenmeter in Südengland: ca. 1.800
Steilste Stelle: 18 Prozent
Plattgefahrene Fauna am Straßenrand: zwei Möwen, eine Ente, ein Igel und ein Fuchs
Erfahrung: Wind ist schlimmer als Berge. Viel schlimmer.

Nils Hoffmann, Leiter Unternehmenskommunikation bei der EVAG, wird gemeinsam mit 14 anderen Delegationsmitgliedern am 18. Juni 2015 in Bristol das Konzept für Essen präsentieren; er wird dabei das Thema Interkommunale Zusammenarbeit an verschiedenen Beispielen vorstellen. Die Essener Delegation (an der Spitze Oberbürgermeister Reinhard Paß und Umweltdezernentin Simone Raskob)  hat sich auf die Finalrunde gründlich vorbereitet und geht hochmotiviert an den Start.

Nils Hoffmann berichtet hier (und außer der Reihe) im Laufe dieser Woche, wie seine Fahrt weitergeht.

Seinen ersten Reisebericht gibt´s hier:
Grüne Hauptstadt Europas 2017: Auf geht´s!

3 Antworten zu “Grüne Hauptstadt Europas 2017: Weiter geht´s!”

  1. Jens sagt:

    Go, Nils, Go!
    Du machst das großartig und ich habe richtig ein schlechtes Gewissen, dass ich fliege und nicht auch ganz ökologisch komme. Mit nem Segler, oder so. Darf ich Dir in Bristol ein isotonisches Kaltgetränk ausgeben, oder zwei?
    Was Du in Antwerpen unterquert hast, war übrigens die Schelde, nicht die Maas ; )

  2. Nicole sagt:

    Hallo Nils, ganz vielen Dank für Deinen tollen Bericht! Habe Deinen Beitrag mit Spannung gelesen und würde mich jetzt am liebsten auch auf’s Rad schwingen und losdüsen. Ganz große Klasse, Respekt und Hut ab vor Deinen Tageskilometern. Wenn Du das nächste Mal sowas planst, sag Bescheid 😉 Im Ernst: Hab da was ganz Ähnliches im Sinn, daher vielen Dank für Deine Inspiration.
    Was für ein Navigationsgerät benutzt Du denn? Ich navigiere derzeit noch mit Handy, was ich aber ziemlich stressig finde, weil die Akkuleistung ja sehr schnell zu neige geht.

    • Hallo Nicole,
      Ich nutze ein Garmin Oregon. Zur Routenplanung empfiehlt sich Garmin Basecamp (kostenlos bei Garmin zum downloaden) und Open Streetmap Karten ganz nach Geschmack und Projekt. Für die Fahrradfernreise greife ich gern auf die Angebote von freizeitkarte-osm.de zurück.
      viele Grüße

      Nils

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Nils Hoffmann

15.06.2015