EVAG-Stellwerkstechnik: Alt und top in Form

Das Stellwerk am Essener Hauptbahnhof ist das größte Stellwerk Deutschlands im ÖPNV

Das Stellwerk am Essener Hauptbahnhof ist das größte Stellwerk Deutschlands im ÖPNV

Wie wichtig das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik in einem Verkehrsunternehmen wie der EVAG ist, wird im Bereich der Zugsicherung deutlich. Während die Verantwortung bei Fahrten im Straßenbereich beim Fahrer liegt, muss er sich im Tunnel oder bei Geschwindigkeiten von mehr als 70 km/h auf die Stellwerkstechnik verlassen –  die sichert den Fahrweg, überwacht die Fahrweise und, beeinflusst auch, wenn notwendig.

Gesteuert werden die Weichen und Signale über das Zentralstellwerk in der EVAG-Leitstelle. Die Relaisschaltung, die dahinter steckt, ist äußert sensibel. „Und schon ziemlich alt“,  denke ich, als ich den riesigen Relaisraum am Essener Hauptbahnhof betrete. Das alt aber nicht gleich veraltet heißt, merke ich schnell. „Die eingesetzte Stellwerkstechnik ist zwar nicht modern, aber trotzdem hoch verfügbar und vor allem sicher“, betont Ulrich Aschmann, stellvertretender Leiter Signaltechnik. Er und seine Kollegen sind sogar richtig stolz auf das, was sich da im Keller verbirgt. Denn während andere Verkehrsunternehmen in den vergangenen Jahren gezwungen waren, auf elektronische Stellwerke umzustellen, hat das Team der Abteilung Signaltechnik zwischen  den Jahren 2007 und 2012 gleich drei Relaisstellwerke in Eigenregie saniert und deren Lebensdauer somit um 15 auf insgesamt 50 Jahre erhöht.

Die Planungsphase

Von der Sanierung betroffen waren die Stellwerke an der Betriebswerkstatt Wickenburg, am Essener und am Mülheimer Hauptbahnhof.Zu Beginn mussten wir entscheiden, ob wir die Stellwerke durch elektronische Stellwerke ersetzen oder sanieren und die Laufzeit damit bis ca. 2025 verlängern“, erklärt Ulrich Aschmann. „Bei einer Grundsatzuntersuchung haben wir die Stellwerke deshalb in ihre Einzelkomponenten zerlegt und im Hinblick auf die betrieblichen Anforderungen der nächsten 15 Jahre, die Leistungsfähigkeit, das Know-how im eigenen Haus und die Ersatzteilbeschaffung begutachtet.“ Letztendlich sprach viel für eine Sanierung – auch die Kosten: ein Erneuerung der beiden Stellwerke im Essener Stadtgebiet hätte 45 Millionen Euro gekostet, die Sanierung 5,5 Millionen Euro.

Die Durchführung

Das Kernteam der Sanierung bestand aus zwei engagierten Signaltechnikern: Dietmar Fritz und Michael Hardt. Gemeinsam haben sie alle Bestandteile des Stellwerks der Reihe nach aufgearbeitet. Dafür wurden z. B. die einzelnen Relaisgruppen nach dem klassischen Ampelsystem kategorisiert: rot = kurzfristige Aufarbeitung notwendig; gelb = Aufarbeitung notwendig; grün = keine Aufarbeitung notwendig.

Ca. 2.000 solcher Einzelrelais wurden im Rahmen der Sanierung aufgearbeitet

Ca. 2.000 solcher Einzelrelais wurden im Rahmen der Sanierung aufgearbeitet

Jede Relaisgruppe übernimmt übrigens eine bestimmte Funktion: Von der Weichenstellung über Geschwindigkeitsprüfer bis hin zur Signalanschaltung. Da die Relaistechnik aber heute kaum noch von der Industrie unterstützt wird, gestaltet sich die Ersatzteilbeschaffung als schwierig. Im Zuge der Sanierung haben die Kollegen das Ersatzteillager deshalb ordentlich aufgestockt. „Teilweise haben wir sogar Relaisgruppen von Nachbarbetrieben wie der Bogestra aufgekauft“, erinnert sich Aschmann.

Insgesamt wurden bei dem Projekt ca. 2.000 Einzelrelais und 600 Relaisgruppen aufgearbeitet, 50 Signale und 33 Geschwindigkeitsprüfeinrichtungen im Außenbereich ersetzt, 92 Gleisfreimeldeabschnitte komplett neu aufgebaut, diverse Kabelschränke und Kabelverteiler erneuert und zwei Stromversorgungsmodule ausgetauscht.

Aufgrund der komplexen Technik und der großen Verantwortung dürfen nur speziell ausgebildete Techniker im Stellwerk arbeiten. Ganze fünf Jahre dauert so eine Ausbildung.

Aufgrund der komplexen Technik und der großen Verantwortung dürfen nur speziell ausgebildete Techniker im Stellwerk arbeiten. Ganze fünf Jahre dauert so eine Ausbildung.

„Eine besondere Herausforderung war das knappe Zeitfenster, denn wir haben die Sanierung unter rollendem Rad durchgeführt“, erzählt Dietmar Fritz. „Tagsüber wurde vorbereitet, nachts umgebaut. Auf Grund der längeren Sperrpausen fanden viele Maßnahmen an den Wochenenden statt. Dennoch hat alles reibungslos funktioniert. Auch dank der Unterstützung aus der eigenen und anderer Werkstätten.“ Für die Projektgruppe war die Sanierung eine einmalige Erfahrung – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ab 2025 muss die EVAG mit der Erneuerung beginnen. Dann hat die gute alte Stellwerkstechnik ausgedient.

Mehr zum Thema:

http://www.derwesten.de/staedte/essen/die-evag-laesst-es-weiter-klacken-id3496550.html

http://www.derwesten.de/staedte/essen/im-takt-eines-alternden-herzens-id7653648.html

 

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Jennifer Röder

02.08.2016