Busse statt Bahnen: geplanter und ungeplanter Schienenersatzverkehr
Ab und an erstaunt es die Community in den sozialen Medien der EVAG, dass ein Schienenersatzverkehr (SEV) bei einer akuten Störung erst mit Verzögerung eintrifft. „Nicht einmal einen ordentlichen SEV organisieren könnt ihr“, heißt es dann. Dabei sind die Abläufe, die zu einem Einsatz von „Bussen statt Bahnen“ führen, durchaus komplex. Zunächst einmal unterscheidet die EVAG geplante von ungeplanten Maßnahmen. Letzteres sind Ereignisse, die spontan auftreten. Zur ersten Kategorie würden beispielsweise eigene oder städtische Baumaßnahmen zählen, bei denen die EVAG bereits im Vorfeld planen kann. Ein spontanes Ereignis hingegen könnten interne Betriebsstörungen oder Einflussfaktoren wie Wasserrohrbrüche oder Feuerwehreinsätze etc. sein.
Planungen notwendig
Wenn Schienen ausgetauscht werden müssen oder z. B. Umbauarbeiten an Bahnsteigen nötig sind, wird der Zeitraum festgelegt, die Baumaßnahme terminiert und die Tage festgelegt, an denen ein Schienenersatzverkehr nötig ist. Wenn möglich, werden die Bauphasen in die Ferienzeit, vorzugsweise in die Sommerferien, gelegt. Denn dann hält sich das Verkehrsaufkommen in Grenzen und es stehen mehr EVAG-eigene Fahrzeuge für den SEV bereit, denn Einsatzfahrten entfallen ja.
Turnusmäßig finden darüber hinaus Baubesprechungen statt. Dort wird dann festgelegt, in welchen Streckenabschnitten Ersatzverkehr gefahren werden kann. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Wendemöglichkeiten vorhanden sein müssen und eine Umsteigemöglichkeit von der Schiene in den Bus und umgekehrt besteht. So wird sichergestellt, dass Fahrgäste keine unnötigen Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Zudem wird entschieden, ob Solobusse ausreichen oder ob Gelenkbusse eingesetzt werden müssen. Die fertige Planung wird dann dem Fahrbetrieb übergeben, der entscheidet, ob der jeweilige Ersatzverkehr aus eigenen Ressourcen (in diesem Fall müssen dann SEV-Dienste „gebaut“ werden) oder per Ausschreibung durch Privatunternehmer bewerkstelligt werden kann. Hier muss darauf geachtet werden, ob die zusätzliche Leistung noch im Rahmen der vereinbarten Fremdvergabequote erbracht werden kann. „Für diese Planung ist jedoch eine sehr große Vorlaufzeit notwendig, da die Privatunternehmer unter anderem auch SEV für die Deutsche Bahn und benachbarte Verkehrsunternehmen fahren. Hinzu kommt, dass auch sie nur ein sehr begrenztes zusätzliches Kontingent an Fahrzeugen, insbesondere an Gelenkbussen, und Personal haben“, ergänzt Klaus Imm aus der Abteilung Fahrwegeplanung.
Ferner müssen weitere in diesem Zeitraum geplante Verkehre für Veranstaltungen im Vorfeld möglichst berücksichtigt und übereinandergelegt werden. So ist eine „Extraschicht“, ein Konzert im RWE-Stadion und ein zusätzlicher SEV sicherlich nicht aus eigener Kraft zu stemmen.
Schienenersatzverkehr-Szenarien werden vorab festgelegt
Hilfreich bei den Planungen sind bereits vordefinierte SEV-Szenarien, die für jede Straßen- und U-Bahnlinie vordefiniert wurden. So weiß das Fahrpersonal aus den beiden Betriebshöfen Stadtmitte und Ruhrallee gleich, welche Fahrwege zu fahren sind.
Akute Störungen hingegen werden nicht von Fahrplanern und Fahrwegeplanern koordiniert, sondern von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EVAG-Leitstelle. In der Regel läuft es so ab, dass das Fahrpersonal oder eine beteiligte Institution (z. B. die Feuerwehr bei einem Notfalleinsatz) bei einer akuten Störung die Leitstelle informiert. Es folgt eine Meldung an die Fahrbetriebsdisposition über den Bedarf an Fahrzeugen. Bei kurzfristigen Störungen gibt es keine gesonderten Bereitschaftsdienste speziell für den SEV. Die im Dienstplan vorhandenen Reserven sollten in der Regel eine durchschnittliche Menge an Störungsfällen abdecken (u. a. defekte Fahrzeuge auswechseln, Ablösung wegen Krankheit, SEV). Der Disponent informiert nun das zur Verfügung stehende Fahrpersonal und nennt Wagennummer und Einsatzort. Der Mitarbeiter fährt mit seinem Fahrzeug aus dem Betriebshof und meldet sich über Funk bei der Leitstelle, die ihm dann weitere Anweisungen zukommen lässt. Da dem Fahrpersonal in der Grundausbildung alle Linienwege vermittelt werden, fällt eine Orientierung in der Regel nicht schwer.
Bei Fahrzeugengpässen (z. B. bei Reparaturen) hat der Linienverkehr sicherlich Vorrang, wobei die Werkstatt nur Busse mit „aufschiebbaren Arbeiten“ (z. B. Lackschäden, Arbeiten an der Fahrzeugwerbung etc.) zusätzlich frei geben kann. Zudem ist hier aber auch zu beachten, dass gerade bei gesetzlichen Untersuchungen immer auch Fristen einzuhalten sind. Sicherheit hat höchste Priorität, daher muss der Bus auch betriebs- und verkehrssicher sein, wenn er den Betriebshof verlässt. Dies geschieht in Abstimmung zwischen der Betriebshofdisposition und der Werkstatt bei jedem notwendigen Einzelfall. Sollten keine eigenen Fahrzeugressourcen mehr vorhanden sein, zum Beispiel bei einem Event und gleichzeitiger Störung im Stadtgebiet, wird ggf. auf Subunternehmer zurückgegriffen. Im Worst Case können auch Solofahrzeuge statt Gelenkbusse zum Einsatz kommen oder Fahrtausfälle erfolgen.
Wie lange wird die Störung andauern?
Abhängig von der Schwere der Störung ist es nicht leicht für die Mitarbeiter vor Ort und in der Leitstelle abzuschätzen, wie lange der „Notstand“ anhält und ob es sich überhaupt lohnt, einen SEV ins Rennen zu schicken. Die Organisation eines Ersatzverkehrs bei einer Gesamtstörungsdauer von 15 Minuten wäre unnötig. Ist aber abzusehen, dass es doch länger dauert, greifen die bereits weiter oben beschriebenen Mechanismen. Aber zunächst müssen Fahrzeuge und Fahrer gefunden werden.
Dann muss der Fahrer zu seinem Fahrzeug gelangen, dieses aufrüsten und fahrbereit machen. Der Fahrer wird von der Leitstelle instruiert und dies alles in 15 Minuten hinzubekommen, wäre äußerst ambitioniert. Eine realistische Zeitgröße für eine reguläre Ausfahrt liegt bei etwa 20 Minuten. Hinzu kommt allerdings noch der Fahrweg zum Einsatzort. So kommt es dann eben vor, dass ein SEV-Fahrzeug manchmal erst nach 40 bis 60 Minuten vor Ort ist und die Fahrgäste befördert werden können.