Alle Jahre wieder: Nahverkehr im Winter
Meine Mutter macht es und meine Nachbarn machen es sowieso. Ältere Herrschaften halt. Denn es ist Winter und die ersten zarten Schneeflocken fallen, die Temperaturen nähern sich dem Gefrierpunkt. Viele Menschen lassen ihr Auto jetzt lieber stehen und fahren dafür öfter mit Bus und Bahn. Schließlich sind die Straßen glatt, es ist dunkel und dann noch diese ganzen „Flachlandtiroler“, die nur noch Schrittempo fahren. Die meisten Arbeitnehmer haben jetzt Ihren Jahresurlaub verbraucht und man befindet sich auf der Zielgerade in Richtung Weihnachten. Kurz gesagt: Es sind viel mehr Menschen auf den Beinen als in anderen Monaten. Die Winterzeit ist Hochsaison für den Öffentlichen Nahverkehr. Gute Gelegenheit, um mal genauer reinzuschauen, was das für Busse und Bahnen bedeutet und wie man sich bei der EVAG darauf vorbereitet und wer eigentlich für was verantwortlich ist.
Wer streut und räumt?
Die Streupläne wurden vom Rat der Stadt beschlossen und decken rund ein Drittel aller Essener Straßenkilometer ab. Darin enthalten sind sämtliche Strecken der EVAG. Die Essener Entsorgungsbetriebe sollen im Auftrag der Stadt die Straßen aus den Streuplänen A und B eis- und schneefrei halten. Da alle Linienwege der EVAG im Streuplan A verzeichnet sind, soll so gewährleistet werden, dass die Fahrwege zügig freigeräumt werden. Um Engpässe zu vermeiden setzt die EVAG zusätzlich zwei eigene Streufahrzeuge ein, die den Einsatz der EBE unterstützen. Die EBE räumt und streut die Bushaltebuchten an den Haltestellen der EVAG (Streuplan B), nicht jedoch die Bürgersteige. (Diese zählen zum Streuplan C, der separat beauftragt wurde). Der EBE-Winterdienst gibt es ausschließlich in Straßen, die im Winterdienstverzeichnis (Link) der Stadt Essen stehen.
U-Bahnhöfe und Haltestellen
Die Verkehrsbetriebe EVAG und MVG haben Dienstleistungsverträge mit einigen Unternehmen, die im Bedarfsfall ausrücken und die Zugänge zu Bahnhöfen und Haltestellen, bei denen eine Räumpflicht besteht, vom Schnee zu befreien. Alle außenliegenden Rolltreppen in den Bahnhöfen sind mit Heizungen ausgestattet – dennoch: permanente Feuchtigkeit kann auch hier die sensible Elektronik beeinträchtigen.
Was heißt eigentlich Winterreifen?
2010 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geändert. (Pressemitteilung des BMVBS) Seit dem gelten alle M+S-Reifen (Matsch & Schnee) als Winterreifen. Laut Gesetzgeber müssen schwere Nutzfahrzeuge, wie die EVAG Busse, im Gegensatz zu PKW, nur auf den Antriebsachsen Winterreifen aufziehen. Die EVAG geht aber lieber auf Nummer Sicher und bestückt alle Achsen auf allen 190 Bussen mit M+S Reifen. Zwischenbemerkung für die Reifen-Experten: In Pkw-Reifen wird ein hoher Anteil an Kieselsäure verarbeitet, während in Nutzfahrzeugreifen der Naturkautschukanteil deutlich höher ist. Diese Reifen haben grundsätzlich bessere Haftungseigenschaften als Pkw-Sommerreifen.
Mehr Profil bitte
Jörg Walter, Leiter Kfz Werkstätten bei der EVAG: „Für die Sicherheit unserer Fahrgäste gehen wir über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Wir wechseln in unseren Buswerkstätten für den Winter alle Reifen schon bei vier bis fünf Millimeter Profiltiefe aus und nicht erst bei 1,6 Millimeter, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Dadurch ist im Rahmen der technischen Möglichkeiten bestmögliche Bodenhaftung und größte Sicherheitsreserve gegeben.“
Der menschliche Faktor
Torben Skuballa, Leiter Fahrbetrieb Essen und damit Chef aller Fahrerinnen und Fahrer betont: „Gutes Reifenmaterial ist wichtig. Am wichtigsten ist nach wie vor der Mensch am Steuer. Die letzte Entscheidung liegt immer bei unseren Fahrerinnen und Fahrern. Sie tragen die Verantwortung für die Sicherheit der Fahrgäste. Wenn ein Busfahrer auf eisglatter oder schneebedeckter Straße entscheidet, den Berg komme ich nicht hoch oder ich gerate ins Rutschen, dann darf und muss er stehen bleiben.“
Auf der Schiene
„Bei langanhaltenden Minustemperaturen und viel Schneefall fahren sogenannte Schneewachen. Das heißt, mehrere Straßenbahnen werden dann die ganze Nacht im Streckennetz unterwegs sein und die Fahrleitungen eisfrei halten sowie die Weichen und Gleise von der Schneedecke befreien“, so Klaus Trockel vom Betriebsleitermanagement der Via. Denn Split und Salz sind gut für eisfreie Straßen, aber Gift für Motoren und elektrische Bauteile. Unterbrochene Gleiskreise, gestörte Signalanlagen oder defekte Türen werden im kommenden Winter wieder zum Tagesgeschäft gehören und dem Nahverkehr und den Fahrgästen das Leben schwer machen. Und: Neben der Physik kommt der menschliche Faktor ins Spiel und zwar in Form von glatten Straßen mit teils unvorsichtigen Autofahrern, die den Weg der Straßenbahn kreuzen. Und das nicht selten, denn in Essen fährt die Straßenbahn nur zu 20 Prozent auf eigenen Bahnkörper.
Warme Weichen?
In über 80 Prozent der 349 Weichen sind Weichenheizungen verbaut, trotzdem können Weichen im Winter wegen defekter Steuerungen ausfallen. Denn Feuchtigkeit und Salz sind Gift für elektrische Bauteile. Im Tunnel machen Heizungen keinen Sinn, denn da ist Schnee und Eis eher selten
Zurück zu den Nachbarn und meiner Mutter. Ältere Herrschaften haben ja immer Tipps auf Lager. Von wegen aus Erfahrung klug und so. Sie meinen: „In der Hektik passieren oft Dinge, die man vermeiden kann, wenn man einfach mehr Zeit einplant. Deswegen mach ich nicht alles auf den letzten Drücker. Schön wäre, wenn sich alle gegenseitig helfen und Rücksicht nehmen. Das hilft den Autofahrern, den Fahrgästen und der EVAG.“ Stimmt auffallend, finde ich. Nicht nur im Winter.
Alle Infos zum Winterdienst in Essen:
- Bei den Entsorgungsbetrieben Essen
- Bei der Stadt Essen
Jedes Jahr kommt der Winter ja so überraschend. Ähnlich wie Weihnachten.
Daher finde ich den Artikel sehr gut!